Der unsichtbare Sattel 
                   
"Keines meiner Pferde hatte 
                  je ein weißes Haar auf dem Rücken!" Er ist überzeugt, 
                  dass der Sattel, den er zum Trainieren junger Tiere benutzt, 
                  keine Schuld daran hat, dass sein junges Pferd keine Fortschritte 
                  im Training macht. Aus diesem Grund wäre er der letzte, 
                  der es in Frage stellt, denn sein Sattel hat den perfekten Sitz 
                  und hält ihn super, wenn ein Jungpferd wild wird. Es ist 
                  bequem für IHN. 
                   
Wie die meisten Pferdeleute hat der Trainer 
                  keine Ahnung, wie sich der Sattel für sein Pferd anfühlt. 
                  Er hat vielleicht noch nie einen nackten Sattelbaum gesehen 
                  ohne Skirts und noch weniger einen auf ein Pferd gelegt, um 
                  zu sehen, wie die Bars sein Gewicht und die Erschütterung 
                  über den Pferderücken verteilen. Und trotzdem kann 
                  er felsenfest behaupten, dass er Pferde nicht verletzt, weil 
                  es noch nie eine Druckstelle gegeben hat. 
Ausserdem beharrt er darauf, dass die 
                  Nerven eines jungen Pferdes nicht mehr als 20 Minuten harte 
                  Arbeit am Tag aushalten. Der Trainer gestattet 20 Minuten zum 
                  Aufwärmen, 20 Minuten für die Arbeit, und weitere 
                  20 Minuten an einer Führmaschine ohne Reiter zum Abkühlen. 
                   
Der Haken ist, dass er recht hat! Die 
                  Nerven eines jungen Pferdes vertragen nicht mehr als 20 Minuten 
                  harter Arbeit am Tag. Aber nicht, weil es danach geistig erschöpft 
                  ist, sondern weil die Druckpunkte des Sattels, besonders auf 
                  den Schultern, anfangen, soviel Unbehagen zu verursachen, dass 
                  das Pferd die Konzentration verliert. Zu dem Zeitpunkt, wenn 
                  dies geschieht, hält es den Kopf tief und ist gebogen, 
                  um ein Kalb abzutrennen so gut es kann, weil der Druck des Reitergewichts 
                  gegen die Schultern -oder sogar die Furcht vor möglicher 
                  Strafe- die Freude an der Arbeit überdeckt. Eines weiss 
                  das Pferd mit Sicherheit: Strengt es sich 100% an, tut es 100% 
                  weh. Setzt es nur 75% Bemühen ein, schmerzt es 25% weniger. 
Also sagt der gute Trainer:" Na gut, 
                  das ist genug für heute. Dieses Pferd hat Fortschritte 
                  gemacht. Es ist jung. Wir werden morgen weitermachen." 
                  Und der Trainer steigt auf den nächsten Futurity Kandidaten 
                  Das Gewicht kommt runter vom Pferderücken, die Pads werden 
                  entfernt und das Pferd hat einen weiteren Tag Ruhe. Die Druckstellen 
                  von den Bars des Sattelbaums haben wieder 24 Stunden Zeit zum 
                  Abheilen. 
                   
Während der nächsten 6 bis 12 
                  Stunden läuft Gewebsflüssigkeit aus den zerdrücken 
                  Kapillaren in die verletzten Bereiche der Druckpunkte an Schulter 
                  und Widerrist. Dies löst den Heilungsprozeß aus und 
                  bildet eine Schicht aus Ödemen (Flüssigkeitsansammlungen) 
                  die so dünn sind, dass man Sie nicht sehen kann. Nur mit 
                  bestimmten Berührungen kann man Sie ertasten. Weil genug 
                  Polster verwendet wurden, blieben die Haarwurzeln unbeschädigt 
                  und es wachsen keine weißen Haare, die das Problem ans 
                  Tageslicht bringen würden. 
                   
Forschungen an Menschen haben bestätigt, 
                  das Druck in den tieferen Schichten höher ist als an der 
                  Oberfläche, und noch viel höher nahe am Knochen. So 
                  entstehen Schäden durch die Auflagepunkte des Sattels, 
                  die sich noch nicht mal auf die Haut auswirken. Es ist aber 
                  trotzdem sehr schmerzhaft für das Pferd und schadet den 
                  weichen Schichten darunter. 
                   
Am nächsten Tag wird das junge Pferd 
                  zur selben Zeit wieder herausgeholt. Das Ödem ist komplett 
                  verschwunden. Wenn der Sattel kommt, steht das Pferd wie ein 
                  Fels, legt die Ohren an, es weiß, was kommt. Es knirscht 
                  mit den Zähnen, wenn es gegurtet wird, weil es den Druck 
                  so wie zwei Fäuste hinter der Schulter spürt. Der 
                  Reiter stellt es zurecht und setzt den Fuss in den Steigbügel. 
                  Der Kopf des Pferdes schiesst nach oben aber ein scharfes "Whoaa" 
                  des Reiters lässt keine Zweifel, dass es keinen weiteren 
                  Schritt wagen darf. | 
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                  Das Aufwärmen beginnt und das Pferd 
                  tänzelt, weil durch das Tänzeln der Druck bei jeder 
                  Bewegung etwas weniger wird. Ungefähr gegen Ende der 20 
                  Minuten sind die wunden Stellen gefühllos geworden und 
                  es kann seinen Kopf senken und zuhören. Der Trainer merkt, 
                  dass er nun mit der harten Arbeit beginnen kann. 
                   
In den nächsten 15 Minuten macht 
                  das Pferd wirklich Fortschritte. Es arbeitet das Vieh so wie 
                  es soll. Es hat all das Talent, das sich der Trainer erhofft 
                  hatte, als er es kaufte. Nach 20 Minuten fängt es an die 
                  Kälber zu täuschen, wenn sie nach rechts gehen wollen, 
                  weil es weiß, es kann sich nicht mehr 100% in diese Richtung 
                  biegen. Denn wenn es sich biegt, wird sein Rücken kürzer 
                  auf der inneren Seite; aber der Sattelbaum nicht. Der sticht 
                  jedesmal in die Pferdeschulter, wenn es sich dreht. 
                   
Wissen Sie warum sanftmütige Warmblüter 
                  heutzutage herausragend in der Dressur sind ? Weil sie Anforderungen 
                  aushalten können, wie endloser ausgessener Trab auf einer 
                  gewichtstragenden Oberfläche, die zu klein und zu hart 
                  ist. Wir können natürlich Probleme im Verhalten und 
                  lange, sich endlos hinziehende Trainingspläne hinnehmen, 
                  gerade weil wir gegen eine veraltete Vorrichtung zum Tragen 
                  unseres Gewichtes arbeiten. Eine Vorrichtung, die auf ihre gegenwärtige 
                  Größe zusammengeschrumpft ist, um für kurzzeitiges 
                  Reiten im Vorwärtssitz zu werben, unter künstlichen 
                  Stadion-Bedingungen. 
                   
Unsere Vorfahren, die in der Kavallerie 
                  ritten, wären entsetzt gewesen über die schmalen Trachten, 
                  die man heute standardmäßig bei Dressur- und Springsätteln 
                  findet. Ihre waren beinahe zweimal so groß, um das Reitergewicht 
                  zu verteilen. 
                   
Ich unterstelle, wenn ein Sattel Ihr Gewicht 
                  nicht acht Stunden am Tag, 6 Tage die Woche, und dies drei Monate 
                  lang tragen kann, dass dann nicht darauf vertraut werden kann, 
                  dass er dem Pferd angenehm ist, wenn man nur zwei Stunden “draufrum 
                  hackt”. Sie können Ihr Pferd wegstellen und bringen 
                  es in zwei Tagen beim Reiten wieder genauso weit. Aber die Polsterung 
                  deckt alles Unheil ab, das sich unter dem Fell versteckt zusammenbraut. 
                  Sie geben dem Pferd jedesmal genug Zeit, damit der Heilungsprozeß 
                  beginnen kann. Sie reiten niemals genug Stunden hintereinander, 
                  genug Tage hintereinander, um durch die Druckpunkte sichtbaren 
                  Schaden zu verursachen. 
                   
Selbst unseren Großvätern ist 
                  es nicht gelungen, aus der Geschichte zu lernen. In seinem hervorragendem 
                  Buch "Der Sattel" schreibt Elwyn Harfley Edwards: 
                  " Napoleon litt unter dem enormen Verlust von Pferden bei 
                  seinen Kriegszügen, er verlor fast 30.000 Tiere bei seinen 
                  vergeblicher Versuchen, Moskau einzunehmen. Fast 50 Jahre später 
                  hatten die Franzosen immer noch nicht Ihre Lektion gelernt. 
                  Beim Kampf bei Solferino 1859, belief sich die Stärke der 
                  französischen Kavallerie auf 10.206 Pferde, aber nicht 
                  mehr als 3.500 Pferde waren fit genug, um ins Feld zu ziehen. 
                  Im Süd-Afrika Krieg verloren die Briten 326.000 von 494.000 
                  Pferden zwischen 1899 und 1902. Edwards sagt aus: "Enorme 
                  Verluste waren auf schlecht passende Sättel zurückzuführen, 
                  eine Tatsache, die von dem ausdruckstärksten Reformer der 
                  Kavallerie des 19.Jahrhunderts, Francis Dwyer, erkannt wurde, 
                  einem Berufssoldat, der als Major der Husaren im Königlich 
                  Österreichischen Dienst stand. |